Authentizität

Sätze, die man als Therapeut:in manchmal hört, lauten:

  • „Sie müssen das ja sagen, Sie sind Therapeut!“
  • „Sie werden ja dafür bezahlt, dass Sie mir zuhören!“

Meist kommen solche Sätze als Reaktion auf Annerkennung oder Mitgefühl, und drücken Zweifel daran aus, ob das Gegenüber es ehrlich meint oder etwas Nettes „einfach nur so dahersagt“ oder ob sich das Gegenüber nur mit einem abgibt, weil es dazu verpflichtet oder genötigt ist.

Tatsächlich ist es so, dass zwischen Klient:innen und Psychotherapeut:innen eine ungewöhnliche Situation besteht, die man aus dem Alltag so nicht kennt:

  • Therapeut:innen erfahren im Laufe der Therapie sehr viel Persönliches über ihre Klient:innen; während Klient:innen dagegen nur sehr wenig über ihre Therapeut:innen erfahren.
  • Therapeut:innen werden in der Tat bezahlt, da das Therapieren ihr Beruf ist und sie mit dieser medizinischen Dienstleistung ihren Lebensunterhalt verdienen.

Gerade das macht Psychotherapie aber auch erst möglich:

  • Als Therapeut:in ist man im therapeutischen Handeln frei von familiären, freundschaftlichen oder partnerschaftlichen Verstrickungen und Abhängigkeitsverhältnissen. Das heißt, dass ich einen viel unabhängigeren Blick auf die Themen habe, die Sie mit in die Therapie bringen.
  • Insofern „muss“ ich auch nichts Anerkennendes zu Ihnen sagen. Meiner Erfahrung nach finde ich jedoch bei jeder Person, die ich im Zuge der Psychotherapie in ihrer Komplexität und Einzigartigkeit kennenlernen darf, anerkennenswerte Dinge.
  • Auf der anderen Seite bedeutet dies auch, dass ich unter Umständen leichter als Freunde schwierige Verhaltensweisen ansprechen kann, die mir im Kontakt mit Ihnen auffallen und die mir für unsere gemeinsame Arbeit wichtig erscheinen — und zwar respektvoll, wertschätzend und mitfühlend.

Daneben sind auch Psychotherapeut:innen „nur“ Menschen: Nicht nur wäre es psychisch extrem ungesund, sich im Arbeitsalltag ständig zu verstellen; es würde außerdem auch gegen meine persönlichen Werte verstoßen. Es ist mir nämlich wichtig, mich zu bemühen, meinen Mitmenschen authentisch gegenüberzutreten. Das heißt: Wenn ich etwas Anerkennendes oder Mitfühlendes zu Ihnen sage, dann meine ich das auch so.

Genauso möchte ich Sie einladen, mir ehrlich rückzumelden, wenn ich einmal etwas sagen oder tun sollte, das Sie ärgert oder verletzt, damit wir offen darüber sprechen können. Auch ist es völlig normal, dass man nicht mit allen Menschen „gut kann“. Sollten Sie zu mir in die Sprechstunde kommen und feststellen, dass ich persönlich für Sie zu diesen Menschen zähle, möchte ich Sie herzlich ermuntern, eine:n andere:n Therapeut:in zu wählen, da es sehr wichtig ist, dass Sie sich in Ihrer Therapie wohl und verstanden fühlen.